Volkskrankheit Depression: So beugen Sie ihr vor
Zudem stellte eine Studie mit fast 90’000 Teilnehmern aus 18 Ländern ein äusserst paradoxes Phänomen fest: Je höher das Pro-Kopf-Einkommen eines Landes ausfällt, desto mehr Einwohner leiden an Depressionen. Dies würde rechnerisch für die reiche Schweiz bedeuten, dass jeder fünfte Einwohner mindestens einmal im Leben eine depressive Phase haben könnte, die vom Erkrankten jedoch nicht immer ausreichend als solche wahrgenommen wird. Doch die Krux ist: Was nicht erkannt wird, kann auch nicht behandelt werden – somit ist die Dunkelziffer bei diesem Krankheitsbild der Psyche erschreckend hoch.
Laut Statistik erleiden 15 % aller Männer und 25 % aller Frauen in ihrem Leben eine Depression. Doch die Schwere der Erkrankung wird von den Betroffenen unterschiedlich wahrgenommen, wie die Schweizerische Gesundheitsbefragung Obsan aus dem Jahre 2013 ergab. Die Obsan warnt davor, leichte depressive Symptome zu bagatellisieren, da gerade eine Verdrängung dieser Krankheit einen schnellen negativen Verlauf begünstigt. Doch unabhängig von der Schwere der depressiven Erkrankung – sie mindert in jedem Fall die Lebensqualität und führt schon anfänglich meist zu Antriebslosigkeit und Rückzugstendenzen. Hierdurch wird das soziale Umfeld dezimiert, das sonst als Rückhalt dienen könnte.
Häufig wird eine Depression durch persönliche Negativerlebnisse ausgelöst, wie es der Verlust des Arbeitsplatzes oder eines langjährigen Partners sein kann. Doch das grösste Problem stellt nach wie vor die hohe Stigmatisierung der Krankheit dar. So zeigen Umfragen, dass häufig nicht nur das negative Erleben den depressiven Schub auslöst, sondern die Angst davor, wie dieses scheinbare „Versagen“ von anderen wahrgenommen wird. Deshalb wäre es hilfreich, wenn biografische Brüche gesellschaftlich wie interpersonell normalisiert und vor allem kommunizierbar werden. Diesbezüglich betonen viele Psychologen auch die häufig vernachlässigten gesellschaftlichen Elemente in der Depressionstherapie.
Doch noch zwei weitere sozial bedingte Faktoren spielen bei der Entstehung von Depressionen eine Rolle: die Vereinsamung, die gerade bei Senioren ein Problem darstellt, aber grundsätzlich alle Altersklassen betrifft, und der oft arbeitsbedingte Stress. Allgemein pflegen Menschen ihre realen Kontakte zu wenig – und hierzu zählen nicht die Kontakte im Internet. Zudem bietet vor allem der städtische Raum immer weniger organische Möglichkeiten für Sozialkontakte und kommunikativen Austausch.
Zugleich steigen die täglichen Herausforderungen am Arbeitsplatz. Der so entstehende Stress, wie auch Stress allgemein, eine ausser Kontrolle geratene Work-Life-Balance oder der Druck auf dem Arbeitsmarkt können unvermutet schnell zu einem sogenannten Burnout führen. Mit diesem geht fast immer eine Depressionen einher, die selbst nach der Veränderung der akuten Situation noch lange anhalten kann.
Jedoch kann das Wissen um all diese Faktoren dazu dienen, Depressionen im Vorfeld zu verhindern. Doch leider beschäftigen die meisten Menschen sich erst dann mit der Gefahr einer entsprechenden Erkrankung, wenn es zu spät ist. Noch zu selten wird über die Prävention von Depressionen gesprochen und findet eine diesbezügliche Aufklärung statt – anders als bei vielen anderen Krankheitsbildern, über die Informationen zur Prävention leicht verfügbar sind, wie es beispielsweise bei der Krebsprävention der Fall ist. Es ist deshalb angeraten, auch bei einer leichten Verstimmung, plötzlichen Antriebslosigkeit oder länger anhaltenden pessimistischen Grundeinstellung möglichst umgehend professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zumal viele depressive Episoden zumindest teilweise hormonelle Ursachen haben, so wie es bei einer postnatalen Depression oder den Verstimmungen in den Wechseljahren der Fall ist. Was viele nicht wissen: Auch Männer können von beidem betroffen sein. Ein weiterer Erkrankungsgrund kann auch eine Unterversorgung des Stoffwechsels mit Vitalstoffen sein. Somit ist eine spezialisierte Beratung allein schon deshalb wichtig, um diese rein somatischen Faktoren auszuschliessen.
Nicht zuletzt aber ist ein fürsorglicher, liebevoller Umgang mit dem Selbst entscheidend. Die Selbstpflege und mentale Fitness sollten ebenso selbstverständlich werden wie Körperhygiene oder Wellness. Selbstvorwürfe, Ressentiments, Stress durch den eigenen oder fremd auferlegten Perfektionsanspruch sowie die Angst vor beruflichem Misserfolg können schleichend in die Depression führen. Doch da diese selbstzerstörerischen Muster bereits so lange eingeübt sind, dass sie reflexartig geschehen, werden sie von den Betroffenen oft nicht mehr erkannt. Auch hierbei hilft das Gespräch mit einem unbeteiligten Dritten, der jedoch eine fachliche Vorbildung besitzen sollte. Dabei muss es sich nicht um einen Psychotherapeuten handeln – viele Initiativen und Selbsthilfegruppen bieten einen einmaligen Erfahrungsaustausch an, der bereits vieles klären und einer Verschlimmerung entgegenwirken kann.
Wichtig bei einer Depression sind jedoch auch gute Freunde, die als geeignete Ansprechpartner dienen. In diesen Gesprächen stellt sich oft überraschend heraus, wie viele Menschen aus dem eigenen sozialen Umfeld bereits ebenfalls ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ohne je darüber gesprochen zu haben. Zudem gibt es eine Reihe von Sofortmassnahmen, für die kein Arztbesuch erforderlich ist: regelmässige körperliche Bewegung und Meditation haben einen entscheidenden Einfluss auf das Wohlbefinden. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass regelmässiges Meditieren sich positiv darauf auswirkt, ein mentales Gleichgewicht zu erlangen.
Oberstes Bild: Gegen die grosse Volkskrankheit Depression können Sie bereits präventiv angehen. (© Johan Larson / Shutterstock.com)