Veganer und Vegetarier – ein Wohlstandsphänomen?
Ist von Religion die Rede, wird damit immer auch der Glaube verbunden. Glaube an etwas und Glaube an jemanden sind dabei aber völlig unterschiedliche Blickrichtungen. In Zeiten der Unsicherheit sich selbst zu trauen und an sich selbst zu glauben, scheint jedoch die beste Religion zu sein.
Geht man aktuellen Trends nach, dann gibt es auf dem weiten Feld der Ernährung auch eine neue Religion. Die Rede ist von der vegetarischen oder gar veganen Verpflegung. Wie bei jeder Religion driften auch in diesem Bereich des menschlichen Lebens unterschiedliche Auffassungen auseinander. Über den Sinn oder Unsinn veganen oder vegetarischen Essens lässt sich dabei trefflich streiten. An dieser Stelle soll es allerdings nicht um Streit, sondern um eine Betrachtung differenzierter Ernährungsweisen gehen. Sie sollen mit einem gesunden Abstand untersucht werden.
Ernährungsweisen der Menschen
Schon in der Schule lernt man unterschiedliche Ernährungsweisen kennen. In der Tierwelt gibt es Fleischfresser, Pflanzenfresser und sogenannte Allesfresser. Entwicklungsbiologisch gesehen gehört der Mensch zur Gruppe der Allesfresser; zumindest im Allgemeinen. Abweichend dazu entwickeln sich in unserer Zeit in den modernen Industrienationen anders ausgerichtete Lebensweisen. Solche, die entweder den Verzehr von Fleisch ausschliessen oder sich generell der Verwendung tierischer Produkte in der Lebensgestaltung entziehen.
Es präsentiert sich damit eine Entwicklung, die wohl ein grundsätzliches Wohlstandsproblem zu sein scheint. Das wird schon daran deutlich, dass sich vegetarisch oder vegan ernährende Personen vor allem dort finden, wo der Wohlstand das Leben der Menschen bestimmt. Hier ist einmal Zeit und Gelegenheit, darüber nachzudenken, was man isst und woher die Lebensmittel und teilweise auch Gebrauchsgegenstände kommen. In vielen Ländern dieser Welt, in denen Hunger und Armut die täglichen Begleiter sind, wird weniger darüber sinniert, woher Nahrung und Utensilien für den Alltag stammen.
Die Situation stellt sich so dar, dass Vegetarier und Veganer vor allem in volkswirtschaftlich erfolgreichen Gegenden überdurchschnittlich häufiger vertreten sind als in notleidenden Regionen dieser Erde.
Was unterscheidet Veganer von Vegetariern?
Wer sich bislang mit vegetarischer oder veganer Lebensweise kaum beschäftigt hat, weiss entsprechend wenig über die Unterschiede. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass beide Gruppen keinerlei Fleisch essen. Vegetarier verzichten bei der Zusammenstellung ihrer Nahrung grundsätzlich auf Fleisch und Fisch. Andere tierische Produkte wie beispielsweise Milch, Eier oder Leder werden anstandslos weiterhin verzehrt oder genutzt.
Viel weiter entfernen sich die Veganer von tierischen Produkten. Ausgeprägte Vertreter dieser Gruppe verzichten in jeder Hinsicht auf tierische Erzeugnisse. Neben Fisch und Fleisch werden von ihnen auch keine Eier, keine Milchprodukte verzehrt. Ebenso meiden sie Produkte aus Leder wie Schuhe, Gürtel, Taschen und Möbel oder solche aus irgendwelchen anderen tierischen Rohstoffen wie beispielsweise Honig oder Gelatine. Diese sind in ihre Lebensgestaltung nicht einbezogen, was den generelle Unterschied zu den Vegetariern charakterisiert.
Warum wird verzichtet?
Obwohl der Mensch von Natur aus ein Allesverzehrer ist, entsagen Vegetarier und Veganer gern und freiwillig bestimmten oder sogar allen Produkte tierischer Herkunft. Fragt man nach dem Warum für diesen Verzicht, dann werden vor allem ethische und moralische Gründe genannt. Argumente wie „Fleischesser sind Mörder“ zeichnen ein Bild einer gewissen Abgrenzung und Aggressivität gegenüber dem Hauptanteil der Menschen. Dabei sind natürlich nicht alle Veganer und Vegetarier in ihrer Meinung und deren Durchsetzung gleich oder gar böswillig. Dennoch entsteht bezüglich der Ernährungsgewohnheiten so etwas wie ein Glaubenskrieg, der nicht immer mit lauteren Mitteln geführt wird.
Die Nahrungsmittelindustrie selbst trägt einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung vegetarischer und veganer Lebensweisen. Besonders die Massenproduktion von Tieren zum menschlichen Verzehr und sonstigen Gebrauch hat Formen angenommen, die einer regelrechten Massenabschlachtung gleichkommen. Es wird immer mehr, immer billiger und letztlich auch immer einseitiger produziert, was Fleisch, Geflügel, Fisch, Milch und Eier anbetrifft. Dabei sind die Haltungsbedingungen für die Tiere nicht immer so, dass man sie als lebenswert bezeichnen kann. Massentierhaltung, ein gewissenloser Umgang, wenig Achtung vor dem Leben sind für viele Menschen Gründe genug, sich zu einer vegetarischen oder veganen Daseinsweise zu bekennen.
Darüber hinaus sind auch gesundheitliche Aspekten Argumente, allerdings sind diese nicht immer wirklich ernst zu nehmen. Eine ausgewogene und gesunde menschliche Ernährung kann durchaus auch tierische Produkte beinhalten, natürlich in einem gesunden Mass und bei richtiger Zubereitung.
Fleisch als Nahrung – ein Muss?
An dieser Frage scheiden sich die Geister. Tatsache ist, dass die prähistorische Entwicklung des Menschen ohne Fleisch völlig anders ausgesehen hätte. In dieser Ära war tierische Nahrung der wichtigste Eiweiss- und Energieträger und damit ausschlaggebend für die Entwicklung des menschlichen Gehirns. Als ganzjährig verfügbarer Energiespender war Fleisch der rein pflanzlichen Ernährung deutlich überlegen. Früchte, Wurzeln und später auch Getreide dienten als Ergänzung des frühzeitlichen Speiseplans.
In einer Gesellschaft des Wohlstands, in der nahezu alle Lebensmittel jederzeit zur Verfügung stehen, wird die Ernährung zu einer Glaubensfrage, die religiösen Verhaltensweisen sehr ähnelt. Auch wenn sich zunehmend mehr Menschen zur vegetarischen oder veganen Lebensweise bekennen, bleibt der Mensch als solcher doch ein Allesfresser, dem Fisch und Fleisch genauso zuträglich sind wie Früchte und Getreideprodukte. Bezüglich der Massentierhaltung und der Nahrungsmittelproduktion scheint ein Umdenken allerdings unbedingt angebracht zu sein.
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