Mangelernährung bei Schweizer Kindern: Auswirkung von Schönheits- und Diät-Wahn
VON belmedia Redaktion Ernährung
Gesunde Ernährung ist wichtig. Da sind wir uns alle einig. Als wir neulich auf Facebook in einer Umfrage von euch wissen wollten, welche Themen ihr in unserem Magazin besonders schätzt, wurde mehrfach Ernährung genannt. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung ist also ein allgemeines Bedürfnis, neue Erkenntnisse und Rezepte wurden gewünscht.
Vor allem Frauen probieren gerne neue Diäten aus. Leidtragende sind oftmals die Jüngsten: Was dem Mami gut tut, kann den Kindern massiv in ihrer Entwicklung schaden. Nicht selten kommt es vor, dass schon in der Kindheit der Grundstein für Übergewicht gelegt wird. Nun zeigt es sich, dass der Schlankheits-Wahn der Eltern ebenso schädlich ist: Werden die Jüngsten schon auf Diät gesetzt, kommt es früher oder später zu Mangelerscheinungen.
Erinnern wir uns an unsere Kindheit: Was Mutter kochte, war immer gut, bei Oma oft sogar noch ein bisschen besser. Wir liessen uns ein Stück Fleisch ebenso schmecken, wie einen leckeren Pudding mit Vanille- oder Schokososse. Allergien waren äusserst selten und dicke Kinder gab es auch nur wenige. Wir assen meist Hausmannskost aus regionalen Zutaten und die Kalorien verloren wir ohnehin schnell wieder, wenn wir draussen tobten.
Unter der Bezeichnung Granny-Food kam vor ein paar Jahren ein Ernährungstrend auf, der leider viel zu wenig Beachtung fand. Auf der zweiten Seite gehe ich näher darauf ein.
Ernährungsberater und Kinderspitäler weisen besorgt auf die Vorbildfunktion der Eltern hin
Heute werden viele Kinder von klein auf falsch ernährt. War bisher aber vor allem von übergewichtigen Kindern, ungesundem Fast Food, Süssgetränken und unregelmässigen Mahlzeiten die Rede, warnen Ärzte nun vor vermehrt festgestellten Mangelerscheinungen. Mangelernährte Kinder in der Schweiz? Leider gibt es diese tatsächlich, und der Grund ist nicht etwa Armut. Ernährungsberaterin Sonja Ricke, die als Vorstandsmitglied der AG Essstörungen Schweiz angehört, und andere Fachleute berichten von untergewichtigen Kindern. Das kann zu Unterzuckerung führen, jedoch nicht nur.
Wer bereits im Kindesalter auf Diät gesetzt wird, kann schwere Entwicklungsstörungen erleiden. Sowohl die geistige wie auch die körperliche Entwicklung sind beeinträchtigt, wenn zum Beispiel Kalzium, Eisen und Kohlenhydrate unzureichend mit der Nahrung zugefügt werden. Laut Muriel Jaquet, die als Ernährungsberaterin beim Infodienst Nutrinfo tätig ist, hat sich das Essverhalten in den letzten 10 Jahren generell verändert. Modeerscheinungen und die Vorbildfunktion der Stars tragen daran eine Schuld.
Interessant ist auch die Aussage von Raoul Furlano, der als Abteilungsleiter am Uni-Kinderspital beider Basel arbeitet. Er berichtet, dass es zwar schon immer krankheitsbedingte Mangelerscheinungen auch bei Kindern gab, jedoch waren diese kaum auf Diäten zurückzuführen. Die Vorbildfunktion der Eltern spielt eine grosse Rolle. Bestätigt wird seine Beobachtung von Nathalie Metzger, der Leiterin der Ernährungsberatung am Zürcher Kinderspital. Auch wenn schwere Schädigungen glücklicherweise selten sind, muss dieses Thema mehr Beachtung finden.
Die Klinik für Kinderheilkunde im Inselspital Bern sagt dazu, dass sie noch immer mehr über- als untergewichtige Kinder behandeln. Auch stelle man fest, dass Eltern, die sich mit Diäten und bestimmten Ernährungsformen befassen, Beratungen zugänglich sind.
Das baut Kinder auf – Ernährung mit System
Niemand schadet seinen Kindern bewusst. Leider ist es aber eine Tatsache, dass in den letzten Jahren immer weniger über das, was ein kleiner Körper an Bausteinen braucht, vermittelt wird, stattdessen rückten immer neue Diäten und Ernährungsformen in den Vordergrund. Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen. Eltern oder Betreuer dürfen es sich nicht einfach machen und meinen, wenn sie den Kleinen ihre Mahlzeiten in reduziertem Umfang geben, tut ihnen das so gut wie den Grossen.
Ein Körper, der noch in der Entwicklung ist, reagiert auf die Nahrung anders als der eines Erwachsenen und muss die nötigen Vitalstoffe erhalten, um sich gesund entfalten zu können. Hat Mami gerade eine neue Diät entdeckt und fühlt sich gut damit, sollte sie, wenn sie ihre Kinder mit einbeziehen möchte, auf jeden Fall hinterfragen, ob sie damit auch die benötigten Nährstoffe bekommen.
Bitte denkt daran: Unter gravierenden Fehlern, die in den jungen Jahren in der Ernährung gemacht werden, leidet manch einer sein ganzes Leben lang!
Im Folgenden findet ihr eine Übersicht über die sechs wichtigsten Bausteine für ein gesundes Leben.
- Eiweiss ist „der Stoff, aus dem die Zellen sind“ – Eiweisse (Proteine) machen ca. 77 % des Trockengewichts unserer Zellen aus. Die Zellen von Kindern erneuern sich doppelt so schnell wie jene der Erwachsenen, weshalb rund 15 % der Energie als Eiweiss serviert werden sollte. In der Regel ist dies auch der Fall. Ideal ist eine Kombination von pflanzlichem und tierischem Eiweiss, also aus Kartoffeln und Getreide sowie Milchprodukten, Fleisch und Ei.
- Kohlenhydrate liefern einen Grossteil der Energie. Im Idealfall bekommen Kinder etwa die Hälfte der täglichen Kalorien durch Kohlenhydrate. Beste Lieferanten sind Obst, Gemüse, Kartoffeln und Getreide. Damit landen wichtige Vitalstoffe auf dem Kinderteller. Obst und Gemüse sollte teilweise roh geknabbert werden. Hier ist die Vorbildfunktion der Eltern von frühester Kindheit an nicht zu unterschätzen! Leider sieht es so aus, dass ca. die Hälfte der Kohlenhydrate durch Zucker zugeführt werden: Eindeutig zu viel!
- Fett dürfen lebhafte Kinder im Verhältnis etwas mehr als die „Grossen“ zu sich nehmen, denn sie brauchen relativ viele Kalorien; Fette liefern diese in konzentrierter Form. Rund 30 % der täglichen Energie beziehen sie idealerweise aus Nüssen, Öl, Butter, Fleisch und Milchprodukten.
- Mineralstoffe gehören zu den Bestandteilen unserer Körpersubstanz. Sie werden unter anderem benötigt, damit der Stoffwechsel reibungslos funktioniert. Da Kinder ständig neue Zellen aufbauen, darf die Mineralstoffversorgung nicht unterschätzt werden! Hier sind vor allem Eisen und Kalzium zu nennen, auf die ich im Anschluss noch näher eingehen werde.
- Ballaststoffe benötigen natürlich auch Kinder, damit die Verdauung problemlos funktionieren kann. Die Aufgabe der Ballaststoffe ist es, einfach beschrieben, Stoffwechselschlacken aufzunehmen und dabei den Darm zu entgiften. Schon bei den Jüngsten kann das Verdauungssystem träge werden, wenn zu viele Süssigkeiten, Weissbrot und Schokolade zur Verfügung stehen. Anders als bei Erwachsenen sollte die Kost aber nicht zu „derb“ sein. Gemüse, Kartoffeln, Obst und Sauermilchprodukte sind perfekt für die kindliche Verdauung.
- Vitamine sind lebenswichtig, ohne sie funktionieren die Stoffwechselprozesse nicht. Deshalb ist es wichtig, diese in ausreichender Menge mit der Nahrung aufzunehmen. Fettlösliche Vitamine kann der Körper speichern, wasserlösliche Vitamine nicht, diese müssen täglich zugeführt werden. Bei abwechslungsreicher Ernährung und Beachtung oben genannter Punkte habt ihr keinen Vitaminmangel zu befürchten.
Eisen macht fit
Eisen wird zur Blutbildung und somit zur Sauerstoffversorgung des Körpers benötigt. Wer selbst schon einmal von Eisenmangel betroffen war, weiss, wie elend man sich dadurch fühlen kann. Auch Kinder, die zu wenig Eisen bekommen, fühlen sich schlapp, haben oft dunkle Augenringe und sind anfällig für Infektionen. Da Eisen aus pflanzlichen Quellen vom Körper schlechter verwertet wird und Kinder ohnehin lieber etwas Fleisch als Hirse oder Spinat essen, ist eine strikt vegetarische Ernährung während der Wachstumsphase nicht ideal.
Während Kinder ihren Eiweissbedarf sehr gut ohne Fleisch decken können, sind regelmässig kleine Fleischportionen wichtig, um ausreichend Eisen zu bekommen. Kleine Kinder mögen noch kein Rumpfsteak kauen, aber sie lieben zum Beispiel Hackfleisch oder Geflügel. Mütter, die sich streng vegetarisch ernähren, sollten ihrem kleinen Schatz zuliebe eine Möglichkeit finden, dass dieser ab und zu eine Fleischmahlzeit bekommt. Wenn das für euch gar nicht in Frage kommt, sprecht bitte mit einer Ernährungsberaterin, damit sich eine Lösung finden lässt!
Gesundes aus Milch, Käse und Quark
Milch ist für Babys überlebenswichtig und Milch oder Milchprodukte benötigt auch jedes grössere Kind, um gesund aufwachsen zu können: ohne Milch kein Kalzium und ohne Kalzium keine starken Knochen! Auch in Nüssen und Samen und einigen Gemüsesorten ist Kalzium enthalten. Wer sich aber damit ausreichend versorgen möchte, muss sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, da andere Stoffe die Aufnahme hemmen können. Auch hier wäre wieder die Ernährungsberaterin gefragt.
Kinder mögen Milchprodukte und riesige Mengen müssen sie nicht verdrücken, um ausreichend versorgt zu sein. Vorsicht ist bei Joghurt und Fruchtquark geboten: Oft sind diese regelrechte Zuckerfallen. Besser ist es, einen Nature Joghurt oder Quark selber mit frischem Obst zu mischen.
Wissenswertes über den Milchgenuss:
- Milch ersetzt keinen Durstlöscher.
- Fettreduzierte Milch liefert alles, was ein gesundes Kind braucht.
- Untergewichtige Kinder sollten Vollmilch bekommen.
- Bitte achtet darauf, Milch nicht zu einer Fleischmahlzeit zu reichen, denn das Kalzium aus der Milch erschwert die Eisenaufnahme aus dem Fleisch.
- Die beste Mahlzeit für ein Glas Milch oder Kakao ist das Znüni.
Auf der zweiten Seite findet ihr 30 Tipps rund um die gesunde Kinder-Ernährung, darunter auch ein paar erprobte Lieblingsrezepte!
Weiterlesen: Lecker und gesund – 30 Tipps für die Kinder-Ernährung
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