Die Nacht durchgemacht? Warum Sie das lieber vermeiden sollten

Jeder kennt das Phänomen: Mit Anfang zwanzig gehören schlaflose Nächste quasi zum Alltag. Ob in letzter Minute für Prüfungen gelernt wird oder bis in die Morgenstunden getanzt – nach einer heiß-kalten Dusche und zwei Espressi kann der Tag kommen. Mit den Jahren nimmt diese Resilienz gegenüber Schlafentzug merklich ab. Für viele ist sogar das zunehmende Schlafbedürfnis eines der Hauptmerkmale des Alterns.

Tatsache ist aber: durchgemachte Nächte sind zu jedem Zeitpunkt echtes Gift für den Körper. Natürlich werden sie immer wieder vorkommen – und oft aus den denkbar romantischsten Gründen. Wo sie sich aber vermeiden lassen können, etwa durch eine Neuorganisation der eigenen Arbeitslast, da sollten Sie dies tunlichst versuchen. Denn hier geht es nicht nur um Ihre verkaterte Stimmung am nächsten Tag oder die völligen Unmöglichkeit, während Meetings die Augen offen zu halten. Es ist auch nicht nur eine Frage des Schönheitsschlafes – so entscheidend lange Tiefschlafphasen für ein strahlendes Aussehen sein mögen. Auch die zunehmende Produktivität und Führungskompetenz bei mehr Schlaf ist nur ein (wenn auch konstruktiver) Nebeneffekt.

In erster Linie sind die Konsequenzen fehlender Erholung während der Nachtstunden nämlich aus medizinischer Sicht erschreckend. Machen Sie Nachtarbeit zur Gewohnheit, kann dies bleibende Schäden für Körper und Geist nach sich ziehen – so dramatisch sich das auch anhören mag. Im Schlaf findet eine derart große Anzahl an Prozessen statt, die Ihr Körper zum Erhalt seiner Gesundheit braucht, dass Schlafentzug im wahrsten Sinne des Wortes Folter ist (und nicht grundlos als solche eingesetzt wird).

Fehlender Schlaf bedeutet puren Stress für Ihren Körper. Damit ist im wahrsten Sinne das Anti-Stress-Hormon Kortisol gemeint, das nach einer durchwachten Nacht vermehrt ausgeschüttet wird. Normalerweise reduziert sich Ihr Kortisol-Level automatisch, sobald Ihre Müdigkeit und die Umgebungsbedingungen signalisieren, dass es Zeit ist, ins Bett zu gehen. Ignorieren Sie dieses Bedürfnis oder maskieren es mit stimulierenden Substanzen wie Koffein oder Alkohol, gerät Ihr Kortisol-Haushalt durcheinander. Untersuchungen haben ergeben, dass das Stresshormon in Folge nur einer schlaflosen Nacht am darauffolgenden Abend bis zu sechs mal langsamer zurückgefahren wurde als bei Vergleichspersonen, die in der Nacht zuvor ganz normal zu Bett gegangen waren.

Das Resultat: Eine massive Ansammlung von Kortisol im Organismus. Diese wiederum reduziert Ihre Fähigkeit, mit Alltagsstress umzugehen. Das macht Sie nicht nur anfälliger für Fehler und reduziert Ihre Sozialkompetenz, sondern verstärkt langfristig die Wahrscheinlichkeit von Panikattacken und depressiven Episoden. Und dann ist da noch eine Kleinigkeit: In den letzten Jahren haben eine Mehrzahl von Studien herausgestellt, dass zu viel Kortisol im Körper für eine vermehrte Fettansammlung im Bauchbereich verantwortlich sein könnte.

Aber nicht nur das Bauchfett nimmt durch Schlafentzug zu. Auch die zwei wichtigen Hormone Ghrelin und Leptin, zuständig für die Appetitregulierung, werden von der Schlaflosigkeit ins Chaos gestürzt. Leptin sendet dem Gehirn Signale zur Appetitverminderung und erhöhten Kalorienverbrennung. Ghrelin verstärkt Hungergefühle, verlangsamt den Stoffwechsel und kann das Fettverbrennungsvermögen des Körpers einschränken. Nach 24 Stunden ohne Schlaf wurden bei Testpersonen deutlich erhöhte Ghrelin-Werte sowie gleichzeitig akut verminderte Leptin-Werte festgestellt. Bei Ihnen kommen diese als Signal an, mehr und zu ungünstigen Zeiten zu essen, während die aufgenommenen Kalorien wesentlich weniger schnell verbrannt werden.


Konstanter Schlafentzug führt außerdem zu einer Minimierung der weißen Blutzellen und damit einer Schwächung des Immunsystems. (Bild: gwolters / Shutterstock.com)
Konstanter Schlafentzug führt außerdem zu einer Minimierung der weißen Blutzellen und damit einer Schwächung des Immunsystems. (Bild: gwolters / Shutterstock.com)


Konstanter Schlafentzug (und dazu zählt schon eine schlaflose Nacht in der Woche) führt außerdem zu einer Minimierung der weißen Blutzellen (Leukozyten) und damit einer Schwächung des Immunsystems. Vor allem nach Grippeimpfungen sollten Sie für genügend Schlaf sorgen und die Nachtarbeit ein paar Wochen hinauszögern. Denn wenn Ihr Körper unter einer minimierten Immunreaktion leidet, produziert er auch weniger Antikörper und kommt so nicht in den vollen Genuss der Immunisierung. Auch Ihr Herz kann unter durchgemachten Nächten deutlich leiden. Je weniger Nachtruhe Sie bekommen, desto höher ist der Anteil an C-reaktivem Protein (CRP), einem Eiweiß, das sich in Folge von Entzündungen bildet und auch ein erhöhtes Risiko einer Herzerkrankung anzeigt.

Von nicht nur durchwachten, aber auch durcharbeiteten Nächten geht eine oft unterschätzte Gefahr speziell für Frauen aus. Dies gilt vor allem für Schichtarbeit, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO sogar als akut krebserregend eingestuft wird. Das Problem dabei: Sobald sie nicht am Fliessband, sondern im eigenen Zuhause oder einem komfortablen Büro stattfindet, nehmen viele Frauen die damit verbundenen Risiken nicht mehr ausreichend wahr.

Eine Reihe von Studien scheinen einen Zusammenhang zwischen Arbeiten bei künstlichem Licht und der Entwicklung von Brustkrebs zu belegen. Forscher gehen davon aus, dass dieses Phänomen mit dem Melatonin verknüpft ist, jenem Hormon, das Ihren Schlaf- und-Wach-Zyklus regulieren sollte – wenn Sie dies auf natürlichem Weg zulassen. Die Melatoninproduktion nimmt bei künstlichem Licht ab, ist gleichzeitig aber mitverantwortlich für die Kontrolle des Östrogens. Zu wenig Melatonin bedeutet gleichzeitig zu viel Östrogen, das wiederum die Brustzellenproduktion anregt – und dabei nicht immer nur gesunde Zellwachstumsprozesse auslöst.

 

Oberstes Bild: © PathDoc – Shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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