Vom Sinn und Unsinn grossmütterlicher Schönheitstipps
Diesbezügliche Ratschläge reichen von werbewirksamen Auftritten diverser Kosmetikfirmen über Weisheiten unter Freunden bis zu den Geheimwaffen aus Grossmutters Erfahrungsschatz. Gerade Letztere erfreuen sich wegen ihrer einfachen und preisgünstigen Umsetzung erstaunlicher Beliebtheit. Doch wirken sie auch heute noch?
Einer der wohl verbreitetsten Mythen ist die Empfehlung, Pickel durch das Auftupfen von Zahncreme zu bekämpfen. Dieser Ratschlag hat sich bis heute so hartnäckig gehalten, dass es sich lohnt, ihn näher zu beleuchten und herauszufinden, welche Zauberkräfte tatsächlich in der Paste stecken:
Zunächst einmal gibt der Tipp vor allem Hinweise darauf, dass Pickel bereits zu Grossmutters Zeiten ein ernst zu nehmendes Problem darstellten. Genau wie heute tauchten sie immer dann auf, wenn die Betroffenen sich am wenigsten damit arrangieren konnten. Verständlich also, dass die Plagegeister so schnell, so einfach und so preiswert wie möglich wieder verschwinden sollten. Doch für eine umständliche, zeitaufwendige oder kostenintensive Behandlung gab es im Leben unserer Vorfahren gar keine Kapazitäten. Eine Fingerspitze voll Zahncreme mag ihnen daher wie ein Wunderelixier erschienen sein – war es in der Regel doch immer verfügbar und obendrein von erstaunlicher Deckkraft. Dass es tatsächlich gegen Pickel geholfen hat, lag an seiner Zusammensetzung.
Die Zahnpflegeprodukte früherer Generationen enthielten nämlich ganz andere Zutaten als moderne Pasten oder Cremes. Zu den geläufigsten Putzkörpern gehörten die zerstossenen Schalen von Muscheln oder Eiern und zu Pulver gemahlene Bimsstein-, Marmor- oder Holzkohlestücke. Etwas später wurden diese Gemische mit Magnesiumcarbonat angereichert – einem Stoff, den die Lebensmittelindustrie bis heute als Säureregulator verwendet.
Dazu kommt, dass (Ur-)Grossmutters Zahnpflegeprodukte häufig eine ganz andere Konsistenz besassen, weil sie nur wenig Feuchtigkeit enthielten. Vor der Übernahme der Tubenverpackung aus dem Künstlerbedarf kannte ihre Generation Zahnpaste im heutigen Sinne gar nicht. Stattdessen benutzte sie Trockenprodukte wie Zahnseifen oder -pulver, die vor Gebrauch mit Wasser aufgeschäumt werden mussten.
Diese beiden Tatsachen erklären, dass – und vor allem warum – Zahncreme im vorigen Jahrhundert tatsächlich ein effektiver Pickel-Killer war: Ihre Zusammensetzung und ihre Beschaffenheit wirkten ebenso austrocknend wie entzündungshemmend. Als begeisterte Anwender dieses kleine Geheimnis an ihre Leidensgenossen weitergaben, konnten sie jedoch nicht ahnen, dass auch Zahnpflegeprodukte ständigen Weiterentwicklungen unterliegen würden, die das preiswerte Rezept für einen nahezu makellosen Teint bald ins Gegenteil verkehren sollten.
Wer den Tipp mit der Zahncreme heute ausprobiert, stösst schon aus physikalischer Sicht an Grenzen, denn durch den höheren Feuchtigkeitsgehalt besitzen moderne Produkte eine wesentlich geringere Haftkraft. Mit anderen Worten: Sie tropfen oder rutschen herunter. Darüber hinaus kann die veränderte Zusammensetzung sogar zu verstärkten Entzündungen der gereizten Haut führen.
Ungebrochene Gültigkeit haben dagegen Empfehlungen wie Spaziergänge und abwechslungsreiche Ernährung, denn frische Luft, natürliches Sonnenlicht und die Zufuhr von Vitaminen sind noch immer die besten Massnahmen gegen Pickel. Auch das abendliche Abschminken und Reinigen ist ein unabdingbares „Must“, weil nur saubere Haut atmen und sich regenerieren kann. Die hierbei verwendeten Produkte sollten auf die individuellen dermatologischen Gegebenheiten abgestimmt sein, um den natürlichen Säureschutzmantel nicht unnötig zu gefährden bzw. anzugreifen.
Zeigen sich trotz dieser Prophylaxe Unreinheiten, dürfen diese auf gar keinen Fall mechanisch gereizt werden. Besser als aggressives Herumquetschen ist ein schonendes Gesichtsdampfbad oder das Auflegen einer warmen Kompresse. Haben sich die Hautporen unter Einwirkung der Wärme geöffnet, können Pickel und Mitesser leicht(er) herausgehoben werden. Zum Schutz gegen eindringende Schmutzpartikel oder Bakterien sollten die Fingerspitzen dabei mit einem Kosmetiktuch umwickelt werden.
Auch für den Fall besonders hartnäckiger Unreinheiten kannte Grossmutter Tricks, die sich in zahlreichen Pflegeprodukten wiederfinden: So gelten antibakterielle und entzündungshemmende Masken mit Zink, Kieselerde oder Teebaum-Öl bis heute als effektiv und wohltuend. Darüber hinaus existieren verschiedene Rezepte auf der Basis äusserlich anzuwendender Heilerde, der je nach Hauttyp und -beschaffenheit Honig, Quark oder Gurkensaft zugesetzt werden können. Viele dieser Zutaten finden sich noch immer in der Deklarationsliste von Gesichtsmilch, -wasser oder -creme. Sie beweisen, dass etliche der historischen Schönheitstipps bis heute ihre Berechtigung haben.
Manche von ihnen sind sogar so alt, dass sie sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen. Neben dem fast schon legendären Bad in Eselsmilch – dem sich Ägyptens Königin Cleopatra regelmässig hingegeben haben soll – haben zahlreiche weitere Rezepte für reine Haut, frischen Atem und glänzendes Haar überlebt. Nicht alle halten, was sie versprechen; lohnen es aber dennoch, ausprobiert zu werden – denn auch die bewusste Hinwendung zu sich selbst und seinem Körper ist eine Art Schönheitselixier mit oft verblüffender Wirkung.
Dort, wo man sich der Anwendung nicht sicher ist, helfen logisches Denken und Kombinationsgabe. Diese Vorsichtsmassnahme ist überall da angebracht, wo es um den empfohlenen Einsatz von Bleichmitteln oder anderen Chemikalien geht. Nicht wenige Berichte von „anno dazumal“ klammern unliebsame Nebenwirkungen nämlich einfach aus oder verfahren nach dem Grundsatz „Wer schön sein will, muss leiden“.
Oberstes Bild: Einer der wohl verbreitetsten Mythen ist die Empfehlung, Pickel durch das Auftupfen von Zahncreme zu bekämpfen (Bild: Sanjay Deva / Shutterstock.com)