Haarausfall bei Männern: Was verspricht Abhilfe, und was hilft wirklich?

Der Verlust von hundert Haaren am Tag ist normal. Um krankhaften oder erblich bedingten Haarausfall handelt es sich erst, wenn Haare büschelweise verloren gehen oder die lichten Stellen auf dem Kopf immer grösser werden. Betroffen sind vor allem Männer über 50 – rund die Hälfte von ihnen bekommt langsam eine Glatze oder hat bereits eine.

Erblicher Haarausfall bei Männern ist nicht krankhaft, sondern hormonell bedingt. Trotzdem wollen sich viele damit nicht abfinden und experimentieren mit speziellen Shampoos, Pillen, Tropfen und Tinkturen. Gibt es darunter nachgewiesen wirksame Mittel, oder ist alles nur ein gutes Geschäft mit der Hoffnung?

Frühe Glatzenbildung steckt meist in den Genen

Das Lichterwerden der Haare und die Glatzenbildung beim Mann machen rund 95 Prozent aller Haarausfälle aus. Sie beginnen oft schon in jungen Jahren: Jeder dritte Mann unter 30 zeigt erste Zeichen des Haarausfalls. Dazu gehören vor allem die Ausprägung der sogenannten Geheimratsecken über der Stirn und das Durchschimmern der Kopfhaut oben auf dem Kopf, aber auch das deutliche Dünnerwerden der Kopfhaare. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Dihydrotestosteron, ein Abbauprodukt des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Es verkürzt die Wachstumsphase der Haare und lässt überdies die Haarwurzeln verkümmern.

Filmstars wie Jason Statham oder Bruce Willis machen es vor: Ein Mann mit Glatze muss weder älter noch weniger attraktiv aussehen. Geheimratsecken oder ein komplett kahler Schädel können sogar durchaus Sex-Appeal haben. Doch das tröstet längst nicht jeden Betroffenen über den Haarausfall hinweg. Denn auch Männer sind eitel und sehen es nicht gern, wenn ihr Äusseres mehr und mehr sichtbare Spuren des Alterns trägt. In der Regel bestimmen die erblichen Faktoren auch, wie früh die Glatzenbildung beginnt: Hatte der Vater bereits mit 50 Jahren eine Vollglatze, muss sich der 30-jährige Sohn nicht über seine hohe Stirn wundern.

Volles, dichtes Haupthaar gilt in weiten Kreisen als starkes Symbol für Kraft, Jugendlichkeit und auch Männlichkeit – obwohl vor allem diejenigen Männer vom Haarausfall und Glatzenbildung betroffen sind, die besonders viele männliche Geschlechtshormone produzieren. Viel Testosteron sorgt nicht nur dafür, dass die Haupthaare schwinden, sondern ist auch verantwortlich für starken und gleichmässigen Bartwuchs sowie den Wuchs der Brust- und Körperhaare. So erleben viele Männer, dass ihr Brusthaar mit dem Alter noch dichter wird oder ihnen mehr Haare auf Rücken und Schultern spriessen, während auf dem Kopf immer mehr Haut durchschimmert.


Filmstars wie Bruce Willis machen es vor: Ein Mann mit Glatze muss weder älter noch weniger attraktiv aussehen. (Bild: cinemafestival / Shutterstock.com)

Exkurs: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Testosteron und der Gabe, Musik zu komponieren?

Wenn man sich Bilder berühmter Komponisten, Tänzer und Dirigenten anschaut, wird deutlich, dass viele von ihnen auch im Alter noch auffallend dichtes, volles Haupthaar haben. Die ungebändigte Mähne von Beethoven ist dabei nur ein Beispiel. Darum haben einige Wissenschaftler bereits vor Jahren vermutet, das männliche Geschlechtshormon Testosteron könne auch einen Einfluss auf die angeborenen kreativen Talente haben, vor allem auf die Gabe der Komposition.

Männer mit einem relativ niedrigen Testosteronspiegel, so die Theorie, seien hier begünstigt und hätten grössere Chancen, mit dieser Begabung auf die Welt zu kommen. Ein vergleichbarer Testosteronspiegel bei einer Frau habe zwar den gleichen Effekt, trete jedoch viel seltener auf – denn bei Frauen müsse die Konzentration des männlichen Hormons besonders hoch, bei Männern jedoch nur ein wenig niedriger sein. Das könnte erklären, warum berühmte oder besonders produktive Komponisten auch in den Zeiten der Emanzipation überwiegend männlichen Geschlechts sind.

Bewiesen ist diese Theorie nicht. Falls doch, dringt wenig darüber in die Öffentlichkeit – es darf also weiterhin vermutet und spekuliert werden. Und was hätten die Betroffenen unterm Strich auch von einer solchen Erkenntnis? Nachträgliche Korrekturen am ererbten Hormonspiegel sind riskant und meist wenig sinnvoll, daher hat die Theorie keinen medizinischen oder praktischen Nutzwert. Wer sie sich aber dennoch merkt, kann damit bestimmt beim nächsten Smalltalk punkten.

Helfen Koffein und spezielle Männershampoos gegen Haarausfall?

Zur Zeit drängen vermehrt Shampoos und Haarpflegemittel auf den Markt, die Koffein enthalten. Sie sollen gegen erblichen Haarausfall bei Männern helfen oder ihm sogar vorbeugen. Doch entsprechende Studien, Laborvergleiche u. Ä. haben gezeigt, dass sie das nicht wirklich können. Dasselbe gilt für Wirkstoffe wie Panthenol, Taurin, L-Arginin, Carnitin, Zink, Coenzym Q10, Ginseng, Grüntee oder Hyaluronsäure.

Koffein und Co. in Shampoos und Pflegemitteln unterstützen das Haarwachstum und die Zellerneuerung, versorgen Kopfhaut und Haarfollikel mit Nährstoffen und haben daher durchaus positive Effekte. Gegen den erblich und hormonell bedingten Haarausfall kommen sie jedoch nicht an: Dieser Vorgang ist im Organismus wesentlich tiefer verwurzelt als die Haare selbst und entzieht sich daher dem Wirkungsbereich äusserlicher und kosmetischer Anwendungen. Ein Haar, das einmal ausgefallen ist, lässt sich selbst mit dem besten Shampoo nicht wieder zurückbringen.



Medikamente zum Erhalten des Ist-Zustandes

Haarausfall bei Männern kann auch medikamentös behandelt werden – je früher damit begonnen wird, desto besser. Fast alle erhältlichen Präparate sind verschreibungspflichtig, da sie Hormone enthalten und daher auch Risiken und Nebenwirkungen mitbringen. Wer Medikamente gegen Haarausfall ausprobieren will, muss also vorher einen Termin mit dem Hausarzt oder, noch besser, dem Dermatologen vereinbaren. Üblicherweise kommen zuerst Tinkturen zum Einsatz. Falls diese nicht die erwünschte Wirkung zeigen, können Tabletten verordnet werden.

Drei Wirkstoffe haben sich bei Anwendertests als wirksam erwiesen: Minoxidil, Finasterid und 17-Alpha-Estradiol. Jeder davon bedarf der konsequenten Anwendung. Wird das Mittel abgesetzt, schreitet der Haarausfall ebenso rasch voran wie vor der Einnahme. Und auch diese Wirkstoffe können die Glatzenbildung nicht zuverlässig verhindern oder gar rückgängig machen. Sie zielen auf die weitgehende Erhaltung des Ist-Zustandes ab, also auf ein Hinauszögern des Haarverlusts.

Finasterid und 17-Alpha-Estradiol verhindern, dass sich Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT), den Stoff, der die Haarwurzeln verkümmern lässt, umwandelt. 17-Alpha-Estradiol, ein synthetisches Östrogenpräparat, gibt es als Haartinktur auch ohne Rezept. Die therapeutische Wirksamkeit dieses schwachen Hormonpräparats konnte bisher noch nicht eindeutig nachgewiesen werden.

Bei Minoxidil ist bislang nicht einmal ganz klar, wie es überhaupt wirkt. Vermutet wird eine Verbesserung der Durchblutung. Bei jedem Zehnten kann es den Haarausfall verlangsamen oder stoppen, wobei es noch keine Langzeitstudien gibt. Männer über 50 dürfen Minoxidil nicht anwenden.

Fazit: Männer, die es schaffen, sich mit ihrem erblichen Haarausfall abzufinden, haben es leichter. Denn anstatt ihren Kopf und Organismus mit unwirksamen oder riskanten Mitteln zu behandeln, können sie ihre Geheimratsecken und Glatzen stilvoll tragen oder sogar sexy in Szene setzen.

 

Oberstes Bild: © Goodluz / Shutterstock.com

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Mehr zu Christine Praetorius

Christine Praetorius, Jahrgang 1971, spricht und schreibt über Neues, Altes, Schönes und Kurioses. Ich liebe Sprache und Musik als die grössten von Menschen für Menschen gemachten Freuden – und bleibe gerne länger wach, um ihnen noch etwas hinzuzufügen. Seit 2012 arbeite ich mit meinem Mann Christian als freie Texterin, Autorin und Lektorin.

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